Um die Reaktion der Vegetation in Mitteleuropa nördlich der Alpen auf abrupten Klimawandel während der Marinen Isotopenstadien (MIS) 5 bis 1 zeitlich hochauflösend zu untersuchen, wurden im Dezember 2015 zwei jeweils 18 m lange, überlappende Kernbohrungen im Ried von Füramoos (Kreis Biberach, Süddeutschland) abgeteuft.
Eine frühere Studie hatte gezeigt, dass Füramoos das längste bisher bekannte Vegetations-Archiv des Spätquartärs nördlich der Alpen darstellt. Insbesondere sind hier im Gegensatz zu den meisten anderen Archiven nördlich der Alpen auch pollenführende Sedimente aus MIS 4 und 3 fast vollständig überliefert. Dies erlaubt, die Vegetationsdynamik in Mitteleuropa über einen Zeitraum zu rekonstruieren, der von extremen, sehr kurzfristigen Klimaschwankungen charakterisiert wird und gleichzeitig auch aus urgeschichtlicher Perspektive von herausragender Bedeutung ist. Auf Grund seiner unmittelbaren Nähe zu den Fundstellen der ältesten figurativen Kunst der Menschheit im Blautal bietet das Archiv von Füramoos die Möglichkeit, die Klima- und Umweltbedingungen für den direkten Lebensraum des frühen, im Blautal aktiven Homo sapiens zu rekonstruieren.
Bisherige Untersuchungen am Archiv von Füramoos basierten auf Handbohrkernen und wurden nur in vergleichsweise geringer zeitlicher Auflösung (durchschnittlich ~600 a) durchgeführt. Das neu erbohrte Material erlaubt nun, die zeitliche Auflösung so zu steigern, dass die Reaktion der Vegetation auf abrupte Klimaschwankungen, wie diese in grönländischen Eiskernen dokumentiert sind, detailliert erfasst wird. Zudem stehen an Hand der Kerndurchmesser von 10 cm große Probenvolumina zur Verfügung, so dass neben Pollen auch andere biotische Proxies (z.B. Chironomiden) analysiert werden können. An Hand der zu gewinnenden palynologischen Daten sollen neben einer detaillierten Rekonstruktion der Vegetationsdynamik die "migration lags" zwischen dem Auftreten in Füramoos und den in Grönland-Eiskernen dokumentierten Klimasignalen taxonspezifisch ermittelt werden. Darüber hinaus sollen quantitative pollenbasierte Klimarekonstruktionen durchgeführt werden, die in einer Kollaboration mit Prof. Oliver Heiri (Institut für Pflanzenwissenschaften, Universität Bern) durch Chironomiden abgesichert bzw. weiter verfeinert werden sollen.
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